Fabienne, du studierst Theologie im Master an der Universität Zürich. Wieso hast du dich für das Theologiestudium entschieden?
Bereits mit 12 Jahren war für mich klar, dass ich Theologie studieren möchte. Nach der Matura verlor ich dann aber das Interesse am Theologiestudium. Ich bewegte mich in kirchenfernen Kreisen, war selbst auch nicht besonders kirchlich aktiv und studierte deshalb Germanistik, Religions- und Politikwissenschaften und arbeitete im Kulturbereich. Es dauerte einige Jahre, bis ich merkte, dass dieser Job mich nicht erfüllte. Ich kündete meine Stelle und begann doch noch mit dem Theologiestudium.

Was begeistert dich so an der Theologie, dass du dich beruflich sogar umorientiert hast?
Mich fasziniert an der Theologie, dass sie darüber nachdenkt, wie man Gott denken, wie man über ihn reden und wie man mit Menschen über Gott und den Glauben sprechen kann. Denn meiner Meinung nach ist der Glaube für viele Menschen in der heutigen Zeit nicht weniger relevant als früher, nur spricht man weniger darüber. Dass die Theologie genau an diesem Punkt ansetzt, begeistert mich.

Deine zweite grosse Leidenschaft neben der Theologie ist das Yoga. Wie bist du zum Yoga gekommen?
Zum Yoga bin ich mit etwa 20 Jahren gekommen. Damals war man noch eine Exotin, wenn man Yoga praktizierte. Ich würde mich als Kopfmensch bezeichnen, und schon damals suchte ich etwas, das mich erdet. Auf den Ratschlag meiner Mutter hin habe ich Yoga ausprobiert und war sofort begeistert. Es hat mir geholfen, den Kopf freizubekommen und mich neu zu fokussieren.

Was war es am Yoga, das deine Begeisterung weckte?
Yoga ist ein Kontrast zu unserer Gesellschaft, in der es sehr oft um Leistung, Bewertung, Können und Erfolg geht. Yoga ist komplett anders. Es ist nicht etwas, das man kann. Es ist eher eine Reise, auf die ich jeden Tag neu gehe. Manchmal gelingt es mir besser, manchmal weniger. Aber das spielt keine Rolle, denn Yoga ist wertefrei. Dass Yoga für mich eine Zone frei von Bewertung bleibt, ist natürlich ein Prozess. Bei schwierigen Übungen, die mir nicht auf Anhieb gelingen, muss ich mir immer wieder sagen, dass es okay ist, wenn es heute nicht gelingt. Vielleicht schaffe ich es morgen.

Wie verbindest du Theologie und Yoga?
Yoga ist etwas, bei dem ich den Kopf nicht auf diese kognitive Art und Weise brauche wie in der Theologie. Yoga hilft mir, ganzheitlich von mir selbst und von der Welt zu denken. Ich merke, dass ich nicht nur aus meinem Kopf bestehe und sich Glaube zum Beispiel auch an anderen Orten zeigen kann. Dieser Ausgleich und dieses Gefühl der Ganzheitlichkeit sind das Befruchtende. Yoga schafft in mir neuen Raum für Gedanken der Theologie.

Dann kann man also sagen, dass Theologie und Yoga einiges gemeinsam haben?  
Nein, auf den ersten Blick nicht. Denn Yoga ist ist nicht christlich. Christentum und Yoga sind zwei verschiedene Traditionen. Meines Erachtens kann es nicht das Ziel sein, die Tradition des Yogas in der christlichen Tradition aufzulösen.

Und doch arbeitest du mit theoyoga an etwas, das versucht, Theologie und Yoga zu verbinden. Was hat es damit auf sich?
Auf die Idee für theoyoga bin ich gekommen, weil ich feststelle, dass Menschen einen Ort des Glaubens haben und einen Ort des restlichen Lebens. Dieser Tendenz, den Menschen nicht ganzheitlich zu denken, möchte ich mit theoyoga entgegenwirken. Ich glaube, dass der Glaube überall ist, also auch mit mir auf der Yogamatte. Deshalb möchte ich mich im Rahmen von theoyoga fragen, was Yoga mit mir und meinem Glauben macht, denn das gibt es meines Erachtens nicht getrennt. Ich bin immer Fabienne, die glaubt, egal ob auf der Yogamatte oder nicht.

Kannst du das ausführen?
Auch wenn theoyoga kein christliches Yoga sein soll, gibt es Berührungspunkte. So geht es im Yoga darum, sich zu erden und wieder zu öffnen, sich selbst und die Welt wahrzunehmen, sich mit seinem Geist zu verbinden und nicht zu werten. Das sind Dynamiken und Denkweisen, die in der christlichen Tradition ebenfalls begegnen. Zum Beispiel ist auch der Atem in beiden Traditionen zentral: Im Yoga ist Prana die Lebensenergie, die durch den Körper fliessen soll. In der Schöpfungsgeschichte der Bibel haucht Gott den Menschen Atem ein. Bei diesen Berührungspunkten knüpft theoyoga an. Mit theoyoga möchte ich beide Traditionen füreinander fruchtbar machen.

Wie stellt du dir theoyoga konkret vor?
Theoyoga könnte in den Räumlichkeiten der Kirchen stattfinden. Es soll zu einem grossen Teil klassisches Yoga sein. Ich kann mir aber auch Teile in Form von Körpergebeten vorstellen. Am Schluss der Stunde wäre zudem Platz für eine christliche Meditation.

Welchen Tipp hast du für Menschen, die eine persönliche Begeisterung, wie zum Beispiel das Yoga, mit dem Studium oder dem Beruf verbinden möchten?
Immer wieder höre ich die Frage: «Darf man denn Yoga machen, wenn man glaubt?». Ich habe mir diese Frage noch nie gestellt. Ich denke, dass man aufhören sollte, Lebensbereiche zu trennen und den Glauben nur an einem einzigen, ganz bestimmten Ort im Leben zu leben. Mein Tipp ist es, mutig zu sein und neue Dinge auszuprobieren!

Micha Rippert (26) studiert Theologie an der Uni Zürich und ist studentischer Mitarbeiter bei theologie-erleben.ch.