Du befindest dich im einjährigen Lernvikariat, der Ausbildung zur reformierten Pfarrerin. Wie bist du auf die Idee gekommen und findest die Zeit, daneben noch ein Podcast-Projekt zu lancieren?
Anna Näf: Meine Ausbildungsgemeinde in Unterentfelden lässt mir zum Glück genug Freiraum, um Dinge auszuprobieren! Die Idee für den Podcast kam allerdings vom Pfarrer der Gemeinde, in der ich vorher als Jugendarbeiterin tätig war. Wir haben uns dort regelmässig mit anderen Kirchenleuten der Region getroffen, um neue Bücher und Ansätze zum Thema Gemeindebau zu diskutieren. In der Coronakrise entstand dann die Idee, diese Diskussionen in einem Podcast weiterzuführen.

Podcasts rund um Kirche und Glauben sind im Trend, was zeichnet euren aus?  
In der Schweiz gibt es, im Gegensatz zu den USA, kaum kirchliche Podcasts rund um das Thema Leadership. Es wird viel über Strukturen und neue Formen gesprochen, aber für die konkrete Arbeit im Pfarramt braucht es auch Impulse auf kirchgemeindlicher Ebene. Wir verfolgen den Mittelweg zwischen «rein theoretisch» und «ganz praktisch»: Wie gelingt es uns als Kirchgemeinden, eine Vision zu entwickeln und eine Kultur zu fördern, die tragfähige Beziehungen und persönliches Wachstum ermöglichen?

Ihr habt euch die Jugendarbeit als erstes grosses Thema vorgeknüpft. Ist das euer besonderes Anliegen?
Es ist unser gemeinsames Steckenpferd und der Bereich, in dem wir gemeinsam Erfahrungen gesammelt haben. Ausserdem sind wir überzeugt, dass Jugendarbeit ein Kerngeschäft der kirchlichen Arbeit sein sollte. In der Jugendarbeit liegt Innovationskraft, hier steckt Energie drin.

Was ist die wichtigste Botschaft eures Podcasts?
Mutig ausprobieren und die Hoffnung haben, dass Gott durch die lokale Kirchgemeinde Menschen bewegt!

Gibt es allgemeingültige Rezepte? Kann jede Kirchgemeinde lernen, gute Jugendarbeit zu machen?
Wir versuchen nicht, ein bestimmtes Konzept zu propagieren, das jede Kirchgemeinde implementieren kann. Vielmehr fragen wir nach übergeordneten Themen und Prinzipien. Welche Kultur leben wir, welche Fragen stellen wir, welche Vision treibt uns an? Hier bin ich überzeugt, dass es wertvolle Erkenntnisse gibt, die sich übertragen lassen. Wir liefern zwar Beispiele dafür, in welchen Massnahmen und Projekten die gelebte Kultur zum Ausdruck kommen kann. Aber diese können und sollen je nach Kirchgemeinde ganz unterschiedlich sein.

Braucht es ein bestimmtes theologisches Profil, um junge Erwachsene bei der Stange zu halten?
Das frage ich mich selbst auch. Als hilfreich erlebe ich es, wenn junge Menschen herausgefordert werden, eine persönliche Entscheidung zu treffen: Will ich mit dieser Gemeinschaft unterwegs sein, mich auf den Weg mit Gott einlassen? Das kann etwas auslösen und zu einer engeren Bindung führen. Zudem scheint mir der Glaube als Thema – unabhängig von der theologischen «Färbung» - wichtig zu sein. Wenn etwa Glaubensfragen fast keinen Raum einnehmen, sondern das soziale Engagement ganz im Fokus steht, ist die Konkurrenz beträchtlich. Es gibt unzählige Vereine und Gruppierungen, bei denen sich junge Menschen sozial engagieren können – und die oft ein höheres Ansehen geniessen als die Kirche. Wieso sollte sich jemand ausgerechnet bei der Kirche einbringen, wenn der Glaube keine Rolle spielt?

Was hat dich denn als Jugendliche für die Kirche gewonnen – so dass du dich sogar für das Theologiestudium entschieden hast?
Die reformierte Kirche war es nicht. Dort bin ich zwar aufgewachsen, aber erst als ich als Teenagerin für mich lebensnahere Formen von Christentum kennengelernt habe, habe ich Feuer gefangen. Entscheidend war die Gemeinschaft – zu merken, dass da Menschen sind, die in mich investieren und mir etwas zutrauen, auch wenn ich Fehler mache. Beim Theologiestudium ging es am Anfang nicht um den Pfarrberuf, sondern um die Freude an der Auseinandersetzung. Ich wollte den grossen Fragen des Lebens nachgehen, mehr nachdenken über das, was ich glaube.

Nun hast du dich aber doch als Pfarrerin für die reformierte Kirche gewinnen lassen. Was hat dich überzeugt?
Inzwischen schätze ich die Vielfalt der reformierten Landeskirche sehr; dass so unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen theologischen Positionen zusammen unterwegs sind und gemeinsam danach fragen, was uns im Leben Halt gibt. Früher dachte ich, die Landeskirche müsste werden wie die Freikirchen. Heute sehe ich, wie wertvoll es ist, dass sich ihr auch Menschen zugehörig fühlen, die nicht regelmässig in die Kirche gehen. Dass die Kirche für diese Menschen da sein kann an den Übergängen des Lebens. Ich hoffe, sie kann auch in Zukunft diese Verbundenheit mit der Gesellschaft bewahren.

Hast du Zweifel daran?
Ja, für mich ist das sehr offen. Wir sehen, wie sich die Stellung der Kirche in der Gesellschaft verändert. Die Strukturen, das Parochialsystem, die Finanzierung werden sich wandeln müssen. Aber während es mir manchmal schwerfällt, für die Landeskirche als Institution eine Hoffnungsperspektive zu haben, ermutigt mich die Gemeindearbeit vor Ort. Da ist so vieles möglich. Ich möchte dazu beitragen, dass wir die Nähe zur Gesellschaft wahren und unseren Auftrag darin wahrnehmen können.

Nützt dir das, was du im Theologiestudium gelernt hast, für dieses Anliegen?
(Lacht.) Da bin ich hin und her gerissen. Mir hat es persönlich sehr viel gebracht, mich meinen Fragen so intensiv widmen zu können. Daran bin ich persönlich gewachsen, und das ist eine gute Grundlage. Aber für das «daily business» als Pfarrerin brauche ich Dinge, die zu kurz gekommen sind – etwa Leadership oder Gesprächsführung. Trotzdem: die solide theologische Ausbildung finde ich wichtig für den Pfarrberuf. Sie hat mein Denken geprägt.

«Aufwärts stolpern» ist der Podcast für die Kirchgemeinde mit Ambitionen. Anna Näf und Lukas P. Huber diskutieren darin Ideen und Prinzipien des Gemeindebaus. Angesprochen sind in erster Linie Verantwortungsträger*innen von Evangelisch-reformierten Kirchgemeinden der Schweiz. «Aufwärts stolpern» wird unterstützt vom Landeskirchen-Forum und von reformiertbewegt. 

https://aufwaerts-stolpern.podigee.io/

Bild: Vikarin Anna Näf und Pfarrer Lukas Huber aus Schaffhausen (Bild: zVg)